Ich weiß nicht mehr weiter

Wie überstehen andere Menschen all diese Schwierigkeiten? Meine Theorie ist, dass sie irgendein Ziel, irgendeinen Antrieb haben oder dass die Freude am Leben für sie immer oder zumindest meistens groß genug ist, um die negativen Aspekte zu ertragen.

Mein Antrieb sind meine Eltern. Auch wenn ich mich nicht super mit ihnen verstehen, so hab ich sie doch gerne und ich möchte ihnen nicht antuen, dass sie den Tod ihres Kindes miterleben.

Wie ich den Alltag überstehe? Ich wohne etwa 1h von meinem Heimatort entfernt. Dort habe ich noch einen "Freundeskreis" aus der Schulzeit (mittlerweile 10+ Jahre her). Ich lüge sie alle an was mein Leben angeht. Was meinen Job / mein Studium angeht. Meine "Freunde" sind inzwischen alle erfolgreich - Arzt, Architekt, Banker, Google Engineer. Ich habe gerademal einen BSc in Informatik und habe einen shitty Programmierjob während ich an meinem MSc sitze. Ich bin allerdings um die 30 und habe ohne den Master nicht wirklich große Chancen auf tollere Jobs.

Dh alle 2 Wochen melde ich mich bei meinen "Freunden" und sage ich bin am WE bei ihnen. Unternehme dann etwas mit ihnen, lüge sie an und fahre wieder heim.

Dazu kommt, dass ich vor ~8 Monaten mit einer weiteren (hab eine andere seit ich ~6 Jahre alt war) schönen, chronischen Krankheit diagnostiziert wurde. Lebenserwartung um gut 20-30 Jahre gesunken.

Meine Ärztin war verständnissvoll und hat mich 3 Monate krankgeschrieben (auch wenn das reine Krankheitsbild das nicht hergibt). Ich hätte allerdings aufgrund des psychischen Streßes der Diagonse beinahe alles verloren habe. Studium, Job, … Mein Alkoholkonsum ist massiv gestiegen (functional alcoholic, seit 1 Monat erste permanente Leberschäden laut Blutwerten).

In all dem Chaos gab es einen zufälligen Lichtblick: Die (neue) Freundin eines meiner besten Freunde. Wir hatten beide nie Breaking Bad geschaut und in irgendeinem Gespräch hat sie mich überredet, dass wir anfangen die Serie gemeinsam zu schauen. Ich weiß nicht wieso/warum/weshalb, aber sie ist eine unglaublich positive Person. Die erste Person der ich mich seit 10+ Jahren teilweise öffnen konnte und der ich etwas von meinem Leid klagen konnte (natürlich während ich sie wegen anderer Dinge angelogen habe, wie alle anderen). Aber sie hat mich in einem der dunkelsten Momente meines Lebens unterstützt.

Das Gespräch hat mich dann motiviert einen Psychotherapeuten aufzusuchen. Gab auch relativ schnell einen Termin (innerhalb einer Woche - Land sei dank!). Das war allerdings relativ ernüchternd. "Alkoholkonsum? Kann ich nicht helfen. Depression - würde ich behandeln, wenn sie den Rest unter Kontrolle kriegen". Nächster Termin ist im November und alles lief gut. Bis ich erfahren habe, dass meine Schwester plant zu demselben PT zu gehen. Und ich natürlich auch meinen PT was gewisse Dinge angeht angelogen habe. Dh sobald er meine Schwester als Patient nimmt dann erfährt er dies (selber Nachname), dh ich werde den nächsten Termin absagen (sollte meine Schwester einen Termin vorher haben; wenn nicht nehm ich noch einen Termin mit).

Ich weiß nicht, ob ich die Kraft habe einen neuen PT zu suchen. Ich dachte mein Leben geht endlich bergauf, allerdings gab es dann wieder Rückschläge. Am 20.8 habe ich mich das erste Mal während meines Alkoholkonsums selbst verletzt. Nichts schlimmes (keine meinr tollen Rasierklingen :)), aber wie üblich am Unterarm. Am nächsten Tag bin ich zu meinem Bein gewechselt, weil man das nicht sieht. Seitdem trinke ich quasi nichts mehr aus Angst was ich während des Kontrollverlustes mache.

Lange Rede, kurzer Sinn: Mir geht es vlt ähnlich Scheiße wie dir. Ob es jetzt irgendeinem von uns wegen X/Y/Z besser/schlechter geht ist egal. Ich kann dir nur sagen es gibt Lichtblicke die es wert sind zu leben. Ich konnte letzte Woche besagter Freundin helfen. Jemanden den ich vor 4 Monaten noch nicht kannte. Aber sie ist es wert, dass ihr geholfen wird.

PS: Ich (und du vmtl auch) sind physisch krank. Nicht nur mental. Mein Serotonin-Haushalt ist gestört. Ein niedriger Serotoninlevel korelliert normalerweise mit Depression.

PPS: Ich klammer mich an kleine Dinge. Vlt kommt irgendwas das große Ding an das ich mich klammern kann, dass Leben lebenswert macht. Aber noch gebe ich nicht auf. Und du solltest das auch nicht machen.

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