Leute mit Einstellungskompetenz in Firmen; wie sehr achtet ihr auf die Regelstudienzeit?

Ehemaliger Langzeitstudent hier. Vielleicht ist das ja für den ein oder anderen interessant, deshalb erzähle ich einfach mal. Studiendauer: mehr als 25 Semester.

Wichtig ist, dass du diese Zeit ehrlich und plausibel begründen kannst. Um es in meinem Fall kurz zu erklären: Ich habe am Anfang des Studiums mehrere Krisen erlebt, mehrere Todesfälle im engeren Freundeskreis und der Familie plus Pflege 2er Familienangehörigen. In solchen Situationem rast die Zeit, man schlägt sich irgendwie durch. Auf den einen Schicksalsschlag folgte der nächste. Kaum kam man halbwegs mit der Situation zurecht, kam die nächste Krise. Aufs Studium zu konzentrieren war nicht möglich, per Nebenjob muss man irgendwie alles finanzieren und die Pflege frisst den Rest der Zeit und Nerven.

Und plötzlich sind 5-6 Jahre rum, ohne dass man was geschafft hat. Psychisch schon recht angeschlagen, fällt es einem nicht leicht, direkt wieder Vollgas zu geben. Außerdem gibt es nicht den einen Zeitpunkt, ab dem man weiß, dass das Leben nun weiter geht und sämtliche Krisen überwunden sind.

Naja, hab dann ca. weitere 5 Jahre gebaucht, bis ich alle Klausuren bestanden hatte. Das entspricht 10 Semestern, was bei meinem Studiengang normal ist (die eigentliche Regelstudienzeit schafft wirklich kaum jemand einzuhalten). Die einzige "Lücke" die ich hatte war am Ende wegen 2 jähriger Coronazeit. Mir hatte damals zum Abschluss des Studiums ein Praktikum gefehlt. Im ersten Coronajahr hat da bei uns kaum einer was gefunden, die Unternehmen waren damit beschäftigt auf Homeoffice umzustellen und Praktikanten waren da wohl eine Last. Hab die Zeit genutzt und Nachhilfeunterricht gegeben, digital. Das hat mir viel Spaß gemacht, das Geld hat gerade so gereicht und joa, plötzlich war auch das 2. Coronajahr um. Das ging irgendwie so schnell und ich war so auf die Arbeit konzentriert, dass das Praktikum schon fast in Vergessenheit geriet.

Naja, der Markt sah inzwischen anders aus, Praktika waren zwar immer noch nicht sooooo leicht zu finden, aber so langsam ging es.

Habe mich dann bei ein paar Firmen beworben und von allen - außer einer - eine Zusage zum Vorstellungsgespräch bekommen. Das erste Vorstellungsgespräch war bei der Firma, wo ich hin wollte. Nach einer kurzen allgemeinen Vorstellung kam direkt die Frage nach der Studiendauer. Und ich dachte: das wars :D Also hab ich kurz ehrlich gesagt wie es dazu kam und da es nachvollziehbar und keine Ausrede war, haben die sehr viel Verständnis gezeigt. Damit war das Thema dann aber auch gegessen. 2 Tage später die Zusage, das Praktikum lief hervorragend und seit ein paar Monaten arbeite ich dort fest.

Das Thema mit der Studiendauer kam eigentlich nur 2 mal auf seit dem ich dort angefangen habe. Einmal, als ich das erste mal mit dem Abteilungsleiter geredet habe (war ein längeres Kennenlerngespräch mit Kaffee und Kuchen) und ein Weiteres mal, als ich mit einer Kollegin, welche gerade neue Bewerbungen gecheckt hat, geredet hab. Beide meinten ganz ehrlich, dass die natürlich sehr stutzig waren, als die diese Dauer in den Unterlagen gesehen haben. Aber man wollte mir eine Chance geben und nachdem ich es im Bewerbungsgespräch begründen konnte, war es denen egal.

Mir war aber durchaus bewusst, dass ich nun zeigen musste, dass ich mich in der "richtigen" Arbeitswelt auch wirklich behaupten kann. Hab also von Anfang an wirklich alles sehr ernst genommen. Mir im Vorfeld für Meetings Fragen überlegt, meine Aufgaben so pflichtbewusst und sorgfältig wie nur möglich erledigt usw. Das Feedback war schon sehr früh durchaus positiv und wie bereits erwähnt, arbeite ich nun fest dort.

Puh sorry, war etwas mehr Text als erwartet. TL:DR: Wenn du die Zeit begründen kannst und dem Unternehmen zeigst, dass du gute Arbeit verrichten kannst, dann ist das schnell kein Problem.

/r/FragReddit Thread