Niveaulos und frauenverachtend: Wer stoppt Oliver Pocher?

Hier mal als kleiner Diskurs, weil Bezeichnungen, die auf eine körperliche oder geistige Insuffizienz abzielen, so alt sind wie Sprache selbst (nicht wirklich, aber nah genug dran). Wörter wie "irre" würden nach demselben Schema ausgemustert - werden sie aber nicht.

https://de.wiktionary.org/wiki/Trottel

https://de.wiktionary.org/wiki/Idiot

Im Endeffekt altertümlichere Bezeichnungen à la Behindi, Spasti oder Krüppel und davon gibt es dutzende. Das Register macht's und manche Situationen erfordern vom Sprecher einfach eine derbe Ausdrucksweise. Selbst wenn's nur ein Relikt der Weltliteratur ist - herabwertende Ausdrucksweisen gehören zu unserem Sprachgebrauch und wurden detailliert diskutiert. Das wird sich niemals ändern insofern wir Menschen nicht vorschreiben wollen, wie sie zu reden haben.

Und auch wenn ich mich nicht zu dem Beispiel äußern möchte, in welchem Fall ich das "Spasti" durchaus als unangemessen erachte, so kann man dennoch argumentieren, dass sich wenigstens das Auseinandersetzen damit Sinn machen könnte. Viele Filme, Bücher und Musik wären schlicht nicht dasselbe und würden den Punkt, dass Sprache diskriminiert, kaum so gut rüberbringen können wie sie es tun.

Das Thema ist nuancierter als "du sollst Leute nicht nach ihrem Äußerem beurteilen." Gibt auch genug Betroffene, die eine ganz andere Einstellung zu dem Thema haben, sei es, weil Selbstironie und Zynismus generell gut ankommen: Würdest du lieber haben, dass Leute in deiner Nähe herumdrucksen oder willst du lieber in Kauf nehmen derb geneckt zu werden - dafür aber von Leuten, die dich vollkommen akzeptieren?

Nichts ist so betäubend wie Leute die NICHT über dich oder mit dir sprechen, die glauben sie müssten über Scherben laufen. Jeder von uns kennt einen Haufen von beeinträchtigten Leuten und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass deren "Eigenarten" nicht thematisiert werden. Klar, in Freundeskreisen gibt es Machtwörter und wenn du sagst, dass dir etwas zu weit geht, dann sollte sich das erledigt haben. Aber pauschal zu behaupten, dass irgendein Begriff komplett unmöglich ist klingt wie eine Maßnahme die weder umsetzbar noch sinnvoll ist.

Im privaten Gebrauch ist es nun mal absolut überall vertreten, bei Leuten, die beruflich damit zu tun haben, bei Studenten, bei Kindern sowieso... wie immer ist das Erlernen des ordentlichen Umgangs deutlich besser, als pauschal etwas verbieten zu wollen.

Letztlich ist es reine Willkür. Der Mensch braucht keine Worte um ordentlich austeilen zu können. Ich finde den Umgang mit "debil" und "zurückgeblieben" persönlich kein Stückchen weniger kontrovers als all die hochkarätigen Beleidigungen, die hier sofort angeprangert werden. Hätte er das geschrieben hätte sich keiner aufgeregt, aber die Bezeichnung ist genauso respektlos (oder eben nicht respektlos) wie "Mongo" und all die verwandten Schimpfworte.

Mir ist klar, dass diese Beleidigungen von ihrer ursprünglichen Bedeutung entkoppelt werden können (siehe eben "toll" und co.), aber das gilt ebenso für alle anderen Bezeichnungen und immerhin reden wir von Wörtern, die schon wirklich lange im Gebrauch sind. Jemanden, den ich nicht mag als Spasti zu bezeichnen heißt noch lange nicht, dass ich behinderte Menschen unter den Bus schmeiße, es heißt nur, dass ich meinem Unmut der Person gegenüber Luft verschaffen will - weshalb diese Ausdrucksweise niemals auch nur annähernd aussterben wird.

Wenn wir schon beim Thema sind gibt es genug Anhänger der people-first language, die dein "behinderte Menschen" als unangemessen abweisen würden. "Menschen mit Behinderung" wird wohl öfter erwünscht, auch wenn ich persönlich keinen besonderen Zugang zu dieser Thematik habe.

Letzten Endes ist es eine Frage dessen, was im Umfeld erwünscht und erlaubt ist. Wenn du mit deinem Druffi-Rollstuhl-Freund einen dicken rauchst und er sich selber xXMesserschnitterXx nennt, kannst du wahrscheinlich raushauen was geht. Wenn du deine 60-jährige Tante mit geistiger Behinderung besuchst und ihre Kinder, mit denen du nicht viel zu tun hast, auch da sind, dann hat man gefälligst die Goschen zu halten und fängt nicht an, Unangemessenes Zeug herumzuplärren - ähnlich wie eben in Onlineforen. War eher kein Unter-den-Bus-Schmeißen als einfach sehr unglückliche (und korrigierte) Wortwahl für den Diskussionskreis.

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