Chapter 1

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Ein durchschnittlicher Leser wird jetzt erst einmal einen völlig falschen Eindruck bekommen. Er wird denken: Aha, da bezahlt ein Mensch einem Reporter eine Reise. Das wäre allerdings in Hinblick auf das erwähnte Land Oman, welches wir hier stellvertretend für andere nehmen, eine kaum noch zu unterbietende Untertreibung. Die Realität: Bei den Einladungen aus Oman reiste man als vermeintlicher FAZ-VIP auf Kosten des Staatschefs in der Business- oder First- Class an. Am Flughafen wartete des Sultans Personal, welches den Gast – einen einfachen Journalisten – extrem unauffällig und zügig durch die Kontrollen schleuste, vorbei an den »Normalsterblichen«. Spätestens da fühlte man sich nicht mehr als einfacher Journalist, sondern rundum als VIP und irgendwie extrem wichtig. Zwischendurch sei erwähnt, dass diese Sonderbehandlung nicht nur für das exotische Sultanat Oman gilt, sondern Journalisten häufig widerfährt. Vor allem Journalisten von »Leitmedien«. Zurück nach Oman: Vor dem Flughafen wartete für den kompletten Rest der Reise eine klimatisierte Luxuslimousine mit Chauffeur und Dolmetscher. Der war zugleich auch stets eine Art lebende Brieftasche, ließ bei meinen Reisen jedenfalls fast nie zu, dass ich irgendwo selbst bezahlte. Jeder Wunsch wurde dem Gast von den Augen abgelesen. Und letztlich vom Milliardär und Diktator Sultan Qabus, der bei Abfassung dieses Manuskriptes zur Krebsbehandlung in Deutschland war,101 › Hinweis finanziert. Einmal traf ich an der Bar des omanischen 5-Sterne-Luxushotels Al Bustan Palace, wo ich für die FAZ auf Kosten Omans zum Nulltarif eine ausgedehnte Suite mit Meerblick bewohnte, den Schauspieler Diether Krebs (er verstarb im Jahr 2000). Wir kamen ins Gespräch. Und Krebs war erstaunt darüber, dass sich ein deutscher Journalist ein so teures Luxushotel leisten konnte. Er klagte darüber, wie extrem teuer die international anerkannten Padi-Tauchkurse im Hotel beim gebürtigen Griechen Jason Erodottu seien, welche seine Söhne Moritz und Till dort gerade machten. Ich habe ihm nicht gesagt, dass meine Tauchgänge einfach aufs Zimmer gebucht wurden. Und der Sultan bezahlte sie anschließend. Ja, der Sultan bezahlte sogar meine Ausbildung zum Padi- zertifizierten Rettungstaucher mit Jason Erodottu als privatem Tauchlehrer. Er bezahlte alles, was wie von Zauberhand aufs Zimmer gebucht wurde. Die Schmutzwäsche, die man vor der Abreise noch einmal waschen ließ, die Postkarten aus dem Souvenirshop, die teuren Telefonate aus dem Hotel in die Redaktion, die Besuche in den Edelrestaurants. Das sei so Sitte in dem Land bei Gästen des Sultans, hieß es von den staatlichen Begleitern. Ich war naiv und dumm, das anzunehmen. Denn natürlich war ich dann korrupt. So wurde man geködert und war in der Falle. Es macht es nicht richtiger, das alles heute einzugestehen. Aber es könnte anderen eine Warnung sein. Denn das alles verfolgte nur einen einzigen Zweck: Wer die klimatisierte Limousine mit Chauffeur und Dolmetscher annahm, wer den Superreichen mimte und sich kutschieren und einladen ließ, der war natürlich ständig unter Kontrolle. Der Sicherheitsdienst des Landes (und die omanische Diktatur hat ein ausgedehntes Sicherheitsnetz) und der Informationsminister, der zugleich in Personalunion Geheimdienstchef war, waren so ständig über jeden Schritt des Journalisten unterrichtet. Und sie kontrollierten auch die Gesprächspartner und

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