Wieso findest du es schwer nicht mit Phrasen darauf zu antworten?

Wieso meinst du, dass Sozialismus nicht implementierbar wäre, wenn die Geschichte diese Aussage widerlegt und Kuba auch heute noch im weiteren Sinne sozialistisch organisiert ist? Klar, viele dieser Versuche sind letzten Endes zusammengebrochen. Aus diesem Umstand unmittelbar zu folgern, dass dieses Wirtschaftssystem nicht funktioniert, finde ich allerdings etwas voreilig. Der Kapitalismus wurde auch nicht von heute auf morgen in "fertiger" Form eingeführt. Gleiches gilt wohl für jede Produktionsweise, die wir historisch beobachten können.

Darüber hinaus gibt es keine andere Bewegung, die in vergleichbarer Weise Theorie und historische Erfahrungen generiert hat. Wenn wir also davon ausgehen, dass der Kapitalismus nicht die höchste Gesellschaftsform ist, die die Menschheit erreichen kann, ist die sozialistische Bewegung der wahrscheinlichste Kandidat, um den Kapitalismus abzulösen. Ich weiß also nicht inwiefern eine Alternative konkreter sein könnte.

Wen meinst du mit "uns"? Sind die Deutschen eine homogene Masse? Ich verstehe, was du meinst, allerdings würde ich die eigene Wortwahl einmal reflektieren.

Weiterhin würde mich interessieren, inwieweit du den deutschen Wohlstand vom Elend im Rest der Welt trennst. Würdest du der Vorstellung vom Kapitalismus als globales System widersprechen? Sprich: Betrachtest du die deutschen Verhältnisse isoliert vom Rest der Welt? Falls nein, inwieweit fließt die Ausbeutung der armen Teile der Welt in deine Bewertung des gegenwärtigen Systems ein? Inwieweit sind die Zustände im Rest der Welt Voraussetzung für "unseren" Wohlstand?

Zuletzt möchte ich auf den historischen Kontext hinweisen, in dem die "soziale Marktwirtschaft" (nur eine von vielen Formen, die der Kapitalismus im Zuge seiner Entwicklung angenommen hat) in Deutschland existiert hat. Die UdSSR existierte und hatte unzählige Erfolge vorzuweisen. Es gab eine Systemkonkurrenz, durch die die Kapitalisten sich genötigt sahen den Arbeiter und Armen zu beweisen, dass der Kapitalismus das bessere System war. Zudem profitierten Unternehmen vom Neuaufbau nach dem Krieg, einer besonderen Wettbewerbssituation, Technologien, die aus dem Krieg hervorgegangen waren. Arbeiter davon, dass Frauen dem Arbeitsmarkt noch nicht zur Verfügung standen usw. (das lässt sich fortsetzen, wenn man ein wenig recherchiert). Es war also eine besondere Phase in der Geschichte, in der das, was wir heute unter "sozialer Marktschaft" verstehen existierte, und im Hinblick auf die gesamte bisherige kapitalistische Epoche eine Anomalie. Warum glaubst du, dass dieses System in der heutigen Zeit reproduzierbar ist? Wie soll das funktionieren?

Ich frage, ob du den Kapitalismus vernünftig findest, weil die Welt, die er produziert in meinen Augen der reine Wahnsinn ist. Ich würde mich also wundern, wenn der gegenwärtige Kapitalismus, im Angesicht der globalen Erwärmungen, der überbordenden Umweltzerstörung, den Kriegen und der weltweiten Armut, als vernünftig bezeichnet werden würde.