[Fanfiction] Akopalypse nun

Als sie noch ein paar Schritte gegangen waren, hörten sie Stimmen – viele Stimmen, die sich gegenseitig überlagerten, sodass nicht direkt auszumachen war, wer dort sprach, wie viele es waren oder worüber sie sprachen. Budi und Simon lenkten ihre Schritte automatisch in Richtung der Stimmen und Etienne und Nils schienen ihnen zu folgen. Je näher sie kamen, desto ungewöhnlicher erschienen Simon die Stimmen. Er hatte fast den Eindruck, als würde es sich nicht um Sprache sondern eher um Stöhnen, Seufzen, Raunen handeln. Vor seinem inneren Auge liefen verschiedene Szenarien ab: eine Hexenverbrennung auf dem Marktplatz, ein wütender Mob wie in einer Revolution, eine Herde von Zombies. Er musste über sich selbst lächeln. Das war eindeutig ein Nebeneffekt von zu vielen Serien, Filmen und Videospielen – aber das hier war schließlich… Sein Gedankengang wurde unterbrochen, als Budi ihn plötzlich abrupt am Ärmel fest hielt. Verwirrt schaute er seinen Freund an und sah dessen fassungslosen Gesichtsausdruck. Budi traute seinen Augen nicht, als er die vielen Menschen auf dem Marktplatz sah. War das ein schlechter Scherz? Ein Flashmob? Ein Filmset? Was auch immer es war – es war sicherlich keine gute Idee, jetzt noch unüberlegt einen weiteren Schritt zu tun. Instinktiv hatte er nach Simon gegriffen, der neben ihm ging, um diesen zum Anhalten zu bringen. Eddy und Nils hinter ihnen blieben ebenfalls stehen. „Was zum…?“, begann Eddy, wurde jedoch mit einem „Sht!“ von Budi direkt zum Schweigen gebracht. Eddy ärgerte sich zwar kurz über den Rüffel, schaute dann jedoch wieder fasziniert auf den großen, offenen Platz, auf dem sich mindestens hundert Menschen befanden. Fast alle standen mit dem Rücken zu ihnen, sodass er nicht genau ausmachen konnte, was er an ihnen seltsam fand, aber irgendwas war definitiv nicht richtig mit dem Bild, das sich ihm bot. Die Menge bewegte sich mobartig raunend und – er konnte es nicht anders bezeichnen – fauchend auf etwas zu, das sie nicht sehen konnten. Simons Blick traf den seinen, als dieser sich umdrehte, und schien zu fragen: ‚Siehst du gerade dasselbe wie ich?‘. Eddy hob die Augenbrauen und zuckte kurz mit den Schultern. Nils flüsterte: „Was auch immer da vor sich geht – ich denke wir sollten da nicht stören.“ Simon schaute den dunkelblonden Mann fast schon dankbar an und machte sich gerade daran, Nils impliziten Vorschlag in die Tat umzusetzen, als ein markerschütternder Schrei über die Menschenmenge zu ihnen herüberhallte. Alle vier zuckten zusammen wie bei einem Horrorfilm. Simons Ausdruck wurde panischer, aber er schien hin und her gerissen zwischen Neugier und dem Wunsch, zu helfen, einerseits und der Panik und dem Wunsch, hier schnellstens abzuhauen, andererseits. „Fuck, Mann, was war das?“, sagte er mit eindeutiger Angst in der Stimme. Keiner seiner Freunde antwortete, was Simon nur noch panischer werden ließ. „Seht ihr nicht, was hier fucking nochmal abgeht? Die bringen jemanden um – oder was weiß ich.“ Seine Stimme überschlug sich förmlich und gegen Ende war er immer lauter geworden. Budi, dessen Blick immer noch auf den Marktplatz gerichtet war, sah, dass Simons Worte offenbar die Aufmerksamkeit einiger Menschen auf sich gezogen hatte. Drei, vier, fünf von ihnen drehten sich um und bewegten sich in ihre Richtung. Sie gingen nicht wirklich schnell und ihre Bewegungen wirkten seltsam abgehakt und nicht flüssig. Ihre Kleidung schien dreckig und einer trug definitiv einen Schlafanzug. Budis Gedanken überschlugen sich. Theorien entstanden in seinem Kopf, aber diese wurden nach wenigen Sekunden von seiner Angst verdrängt. Sein Körper schien ihn mit jeder Faser anzuschreien, dass er sofort hier weg müsse. „Wir sollten hier weg.“, presste er an die Anderen gerichtet hervor. Simon nickte nur, aber Eddy und Nils warfen noch einen Blick über Budis Schulter, bevor sie zu demselben Schluss kamen. Ohne sich abgesprochen zu haben bewegten sie sich schneller zurück Richtung Boot als auf dem Hinweg. Sie rannten zwar nicht, gingen jedoch zügig und blickten dabei immer wieder hektisch über die Schulter. Fünf Männer folgten ihnen, davon einer eindeutig im Schlafanzug. Als Nils merkte, dass die Männer deutlich hinter ihnen zurück blieben und ihre Bewegungen nicht beschleunigten, riskierte er einen längeren Blick über die Schulter. Er wollte zum Teufel nochmal wissen, womit er es hier zu tun hatte. Schließlich war ein Nils Bomhoff es nicht gewohnt, eine Situation nicht binnen Sekunden vollständig einschätzen zu können. Er konnte nicht viel erkennen, da die Strahlen der hoch stehenden Sonne ihn blendeten, aber er nahm wahr, dass die Männer hinter ihnen sich immer noch abgehakt, unkontrolliert, mechanisch und nicht allzu schnell bewegten. Die Bewegungen erinnerten ihn an Zombies. ‚Zombies – pah! Lächerlich.‘, sagte er sich in Gedanken. Es musste eine andere Erklärung geben. Offenbar hatte Nils sich etwas zu sehr auf die Situation in seinem Rücken und zu wenig auf den Weg vor ihm konzentriert, da er sich im nächsten Moment in einer scheppernden Menge von Blech-Mülltonnen, in die er scheinbar direkt hinein gerannt war, wiederfand. Fluchend rappelte er sich wieder auf. Ihm war nicht wirklich etwas zugestoßen, er hatte sich definitiv nicht verletzt, aber er hatte sich gewaltig erschreckt – auch wenn er das natürlich niemals zugeben würde. Eddy zuckte zusammen, als er knapp hinter sich auf einmal ein lautes Scheppern hörte. Waren die Männer ihnen jetzt doch schon so nah? Er wusste nicht genau, warum sie wegliefen, aber es fühlte sich an, als sollten sie sich hier schleunigst ganz weit weg bewegen. Erleichtert stellte er fest, dass es nur Nils gewesen war, der in drei unglücklich auf dem Gehweg positionierte Blech-Mülltonnen gelaufen war. Er hörte ein leises Fluchen und dann stand Nils auch schon neben ihm und gemeinsam eilten sie schnellen Schrittes zurück zum Steg, an dem sie angelegt hatten. Man konnte das Boot schon sehen, ein paar hundert Meter noch, dann wären sie in Sicherheit. Plötzlich tauchten einige Meter vor Budi und Simon weitere Gestalten auf. Ein paar Männer, zwei Frauen und ein Kind, vielleicht 10 Jahre alt. Alle machten denselben seltsam unmenschlichen Eindruck wie die Personen auf dem Marktplatz und die Männer, die ihnen folgten. Ihre Kleidung war dreckig und teilweise unpassend für den warmen Sommertag. Aber das ungewöhnlichste an ihnen war der Gesichtsausdruck. Die warme Sonne stand hinter den vier Freunden, sodass sie im Gegensatz zu den Leuten hinter ihnen direkt in ihre Gesichter schauen konnten. Ihre Augen wirkten leer, obwohl sie auf die vier Männer gerichtet waren. Die Gesichtszüge zeigten keinerlei Regung, keine Emotion, nur schlaffes Fleisch, das an den Knochen hing. Eddys Blick blieb auf dem kleinen Jungen, der sich nun bereits still aber beharrlich auf sie zu bewegte, haften und ein kalter Schauer durchfuhr ihn. ‚Tot.‘, dachte er. ‚Eindeutig tot.‘ Budi und Simon waren kurz stehen geblieben als die Personen vor ihnen aufgetaucht waren. Schnell beschlossen sie jedoch, dass sie auch diesen lieber aus dem Weg gehen sollten. Budi sah sich abrupt um und fand einen alternativen Weg über die andere Straßenseite. Umgehend zog er Simon am Ärmel, um die Richtung vorzugeben und vergewisserte sich mit einem Blick nach hinten, dass auch die anderen Zwei seinen Plan verstanden hatten. Nils, der von seinem Sturz immer noch etwas zerrüttet aber entschlossen aussah, nickte ihm zu. Schnell überquerte Budi die Straße, Simon einfach mit sich ziehend. Nun eindeutig eher rennend als gehend legten sie die letzten Meter zum Steg zurück. Die Angst, die sich irgendwo zwischen Marktplatz und Steg in ihren Körpern eingenistet hatte, stellte ihnen die Nackenhaare auf, ließ ihre Herzen heftiger schlagen und ihre Lungen schneller pumpen. Die letzten Meter zum Steg verliefen einigermaßen steil bergab und Simon, der irgendwie ins Straucheln geraten war, trat unglücklich auf, knickte um und fiel zu Boden. Budi, der seinen Freund immer noch am Ärmel gezogen hatte, kam abrupt zum Stehen und sah, wie dieser mit einem kleinen Schmerzenslaut zu Boden fiel.

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