Hunderte Flüchtlinge konvertierten in den letzten Jahren in Berlin-Steglitz vom Islam zum Christentum

Bei Pfarrer Gottfried Martens ist es jeden Sonntag fast wie Weihnachten. In der Dreieinigkeitskirche im Berliner Stadtteil Steglitz sind die Bankreihen dicht besetzt, und auf der Empore verfolgen etliche Männer den Gottesdienst sogar im Stehen. Doch nicht nur von der Zahl der Besucher her unterscheidet sich der unscheinbare Bau aus den 20er Jahren von anderen evangelischen Kirchen Berlins, sondern auch von der Herkunft der Gläubigen. Der Epistel und dem Evangelium lauschen sie in zwei Sprachen: Deutsch und Farsi.

Der Großteil von ihnen stammt aus dem Iran, andere aus Afghanistan. Sie haben sich vom Islam abgewandt und sich taufen lassen. In ihren Heimatländern steht darauf Gefängnis oder gar Todesstrafe. Einige wurden in Deutschland als Flüchtlinge anerkannt, die übrigen warten noch auf die Entscheidung im Asylverfahren. Während sie meist in Heimen in Berlin und dem Umland leben, haben sie in Steglitz eine Art geistige Heimat gefunden. Die Zahl der Konvertiten aus dem Morgenland ist dort in den vergangenen Jahren so schnell gewachsen, dass sich die Dreieinigkeitskirche im Januar als Gemeinde eigenständig gemacht und von der St. Mariengemeinde im benachbarten Zehlendorf gelöst hat. Taufen nach Mund-zu-Mund-Propaganda

Sie gehört zur Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), einer konservativen Strömung des deutschen Protestantismus, bekannt auch als „Altlutheraner“. Dass sie eine Flüchtlingsgemeinde wurde, kam eher zufällig. 2008, so erzählt Martens, zogen zwei getaufte iranische Flüchtlinge aus Leipzig nach Berlin. Nach einer Weile kamen einige dazu, durch Mund-zu-Mund-Propaganda wurden es immer mehr. „Dann setzte allmählich das Schneeballprinzip ein“, sagt Martens. Jetzt zählt die Gemeinde 500 Flüchtlinge, drei Viertel aus dem Iran und ein Viertel aus Afghanistan. Rund 350 hat der 52-jährige Seelenhirte selbst getauft. Hinzu kommen laut Martens 200 „Einheimische“, viele von ihnen Russlanddeutsche.

Afghanistan und Iran gehören laut dem christlichen Hilfswerks Open Doors zu den zehn Ländern, in denen Christen am stärksten verfolgt werden. Auf dessen „Weltverfolgungsindex 2015“ rangieren sie auf den Plätzen 5 und 7. Seit 2001 gebe es im Iran eine stark wachsende „Hauskirchen“-Bewegung, schreibt Open Doors.

Spricht man mit den Iranern in Steglitz, dann hatten viele Kontakt zu dieser Untergrundkirche, auch wenn sie sich erst in Deutschland taufen ließen. Er habe zweimal die ganze Bibel auf Farsi gelesen, erzählt der 38-jähriger Hamid. Der 44-jährige Samuel sagt, der Geheimdienst habe ihn wegen seiner christlichen Verbindungen zwingen wollen, für ihn zu spitzeln. Recht einhellig klingen die Antworten, wenn man die Neuchristen nach dem Gründen ihrer Konversion fragt: Der Islam, so sagen sie, stehe für Gewalt und Zwang, das Christentum für Freude, Versöhnung und Erlösung. Die 41-jährige Katharina beklagt, dass Frauen im Islam nicht die gleichen Rechte wie Männer hätten.

Wie viele frühere Muslime wegen Abwendung vom Islam in Deutschland Asyl beantragt haben, lässt sich nicht sagen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) führt keine Statistik über die Asylgründe. Für den großen Bereich der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg schätzt der Landespfarrer für interreligiösen Dialog, Andreas Goetze, die Zahl der Konvertiten im zweistelligen Bereich. Konvertiten werden gemobbt von Islamisten

Der Zentralrat der Muslime wiederum verweist auf die Religionsfreiheit im Grundgesetz: „Daher akzeptieren sie (die im Zentralrat vertretenen Muslime) auch das Recht, die Religion zu wechseln, eine andere oder gar keine Religion zu haben.“ Weniger tolerant sind anscheinend manche andere Bewohner der Flüchtlingsheime. Martens berichtet von Bedrohungen und auch Gewalt, wenn Christen mit radikalen Muslimen zusammen untergebracht seien. „Wenn wir nur anfingen, über Religion zu sprechen, wurden die Tschetschenen sehr böse“, erzählt Hamid. Martens erreichte oft, dass gemobbte Christen in andere Heime verlegt wurden.

Über die Jahre ist der Pfarrer zu einem Fachmann in Sachen Asylrecht geworden. Oft muss er in Gerichtsverhandlungen als Zeuge aussagen. Dass sich Iraner und Afghanen nur taufen ließen, um leichter anerkannt zu werden, glaubt er nicht. Denn mehr als 90 Prozent aller anerkannten Flüchtlinge seien seiner Gemeinde treugeblieben. (dpa)

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